Sonntag, 30. September 2012

Kurztrip nach Sabongari, oder: Sarico beschäftigt das Health Center

 Vor meiner Tür fiept es leise. Ich schaue auf die Uhr: 3.30 Uhr. Eigentlich muss ich erst um fünf Uhr aufstehen. Das Fiepen wird lauter. Ich stehe auf, taste nach meiner Taschenlampe und öffne die Tür. Marley, der Welpe, den sich Father Johannes vor zwei Tagen gekauft hat, schaut mich mit einem wahrhaftigen Hundeblick an, wedelt aber freudig mit dem Schwanz. Scheinbar wollte er nur sichergehen, dass ich auch aufstehe, wenn er fiept, denn er verschwindet wieder im Wohnzimmer. Ich lege mich wieder ins Bett.
Das nächste Mal weckt mich der Hahn. Eigentlich brauche ich gar keinen Wecker mehr, aber ich vertraue dem Federvieh nicht zu hundert Prozent, denn  letzte Woche war er etwas verwirrt und hat um zwei Uhr Nachts und ab vier Uhr im Zehnminutentakt gekräht. Ich stehe also auf und mache mich für die Morgenmesse fertig. Als ich nach der Messe wieder ins Haus komme, duftet es schon aus der Küche. Felicitas wendet gerade den dritten Pfannkuchen, als ich den Kopf durch die Tür stecke und ihr einen guten Morgen wünsche. Sie ist selbst im St. Rita’s College (kurz: Sarico) zur Schule gegangen und kocht jetzt für Father Johannes. Auch wenn sie es am Anfang verwunderlich fand freut sie sich jetzt, dass ich oft zu ihr in die Küche komme und ihr helfen möchte oder auch mal selbst etwas koche oder backe. 
Nach dem Frühstück gehe ich mit Elias ins Lehrerzimmer, um zu quatschen und meine Stunde vorzubereiten. Ich liebe das Lehrerzimmer. Es liegt immer der leichte Duft von Kreide und Chinchin (eine süßliche Art Teigstangen) in der Luft und alle Lehrer haben gute Laune. Jedes Mal, wenn ich den Raum betrete, werde ich allseits fröhlich begrüßt und dann werde ich mit vielen Fragen bombardiert, beispielsweise, wie die deutsche Aussprache von ‚schön‘ ist, oder was ‚Ich habe Hunger‘ bedeutet. Lust etwas zu essen haben alle eigentlich rund um die Uhr. Als der Gong ertönt, mache ich mich auf den Weg zu meiner Klasse. Heute steht das ‚Vater Unser‘ und ‚die Farben‘ auf der Liste. Ich bin jedes Mal gleichermaßen überrascht als auch traurig, wie schnell die 40 Minuten verfliegen. Für die nächste Stunde wurde der Wunsch geäußert, die deutsche Nationalhymne zu lernen.  Auf Musik aus Deutschland sind meine Kiddis besonders scharf, aber dass sie die Nationalhymne lernen wollen, hat mich dann doch gewundert. „Na, wegen Fußball, Madame Mel!“, wird mir erklärt, als hätte ich die unsinnigste Frage der Welt gestellt. Natürlich, FUSSBALL. J Wie konnte ich das nur nicht beachten. Egal ob Mädchen oder Junge und egal, in welcher Klasse, in der Freizeit treffen sich alle auf der Wiese und spielen Fußball.
Ich kann heute leider nicht mitspielen (und habe mich auch sonst bis jetzt immer erfolgreich davor drücken können, denn ich bin eine echte Niete, was Fußball angeht), denn ich muss noch meine Tasche packen. Father Jo hat den St. Therese Schwestern zugesagt, nach Sabongari zu kommen um am Samstag einen Vortrag zu halten und eine Messe zu feiern und er nimmt mich mit. Heute ist außerdem Blaise letzter Tag und Likop, sein Dorf, liegt nicht weit von Sabongari entfernt, weswegen wir ihn mitnehmen. Wir haben uns am letzten Wochenende so gefreut, weil er noch nicht fahren musste und nun gingen die zusätzlichen Tage doch rasend schnell herum. Die Fahrt dauert drei Stunden (für etwas mehr als 80 Kilometer), aber der zweite Teil der Reise geht viel schneller, da die Straße zum großen Teil geteert ist und selbst die ungeteerten Teile verhältnismäßig wenige Schlaglöcher haben. Am Anfang musste ich mich an das Ruckeln und das Hüpfen auf dem Autositz gewöhnen, aber jetzt ist es nichts Besonderes mehr für mich. Die Regierung hat schon mehrfach versprochen, die Straßen zu teeren, bis jetzt ist das  aber leider nur in wenigen Teilen des anglophonen Teil Kameruns umgesetzt worden.  Wir kommen an, als es schon dunkel ist, aber trotzdem ist die Veränderung unverkennbar. In diesem Teil Kameruns, der sehr nah an der nigerianischen Grenze liegt, wachsen viele verschiedene Palmenarten. Nicht, dass es in Nkambe keine Palmen gäbe, aber die Laubwälder dominieren dort doch merklich. Auch das Klima hat sich verändert, es ist jetzt wärmer und feuchter. Nach einer herzlichen Begrüßung und leckerem Abendessen gehe ich ins Bett.
Am nächsten Morgen laufe ich mit Blaise nach Sabongari Town, wo wir viele seiner Freunde treffen und er mir den Markt und die weiterführende Schule der Stadt zeigt. Auch wenn die Sonne von Wolken verdeckt wird, ist es schwül-heiß und ich kann kaum glauben, dass wir nur 85 Kilometer vom kühlen Nkambe entfernt sind. Eigentlich war der Plan, dass wir nach dem Mittagessen zusammen mit Father Johannes nach Likop fahren, um Blaise Familie zu treffen, aber uns wird gesagt, dass die Straße dorthin mit dem Auto nicht befahrbar ist, weil es die letzten Tage zu viel geregnet hat und die Bikes auch nur sehr ungern dorthin fahren. Da Blaise‘ Familie aber etwas Wichtiges mit Father Jo zu besprechen hat, fahren die beiden doch gemeinsam mit dem Bike, denn eigentlich ist es nicht weit. Als ich ihn frage, ob wir uns überhaupt nochmal sehen, versichert mit Blaise noch, dass er auf jeden Fall mit zurück nach Sabongari kommt, damit wir den Nachmittag gemeinsam verbringen können. Ich gehe in der Zeit, die die beiden weg sind, ins Schwesternhaus und unterhalte mich den Schwestern während wir das Mittagessen vorbereiten. Um vier Uhr sind Blaise und Father Jo immer noch nicht zurück, also entscheiden wir uns schon einmal zu essen. Eine halbe Stunde später kommt ein vollkommen entnervter und mit matsch bespritzter Father Johannes ins Esszimmer. Alles was er sagt ist, dass die Straße nicht als Straße bezeichnet werden kann und dass er den halben Weg laufen musste, weil nicht einmal die Bikes dort fahren konnten. Nachdem wir ihm alle unser tiefstes Mitleid ausgesprochen haben heißt es auch schon wieder Abschied von den Schwestern in Sabongari nehmen. Der Rückweg geht sehr viel schneller, als der Hinweg, denn es hat wenigstens auf diese Straßen nicht geregnet.
Als wir dreiviertel des Weges hinter uns gelassen haben bekommen wir einen Anruf aus Nkambe. Zwei  Sarico-Schüler mussten mit einem Malaria-Schub ins Health Center gebracht werden. Das bedeutet, dass wir dort noch einen Zwischenstopp einlegen, bevor wir nach Hause fahren. Das St. Partick’s Catholic Health Center ist in Binshua, einem Vorort von Nkambe, also liegt es glücklicherweise noch auf dem Weg. Es ist mein erstes Mal im Health Center. Eine Mischung aus Desinfektionsmittel, „Bügeleisenduft“ (ich hoffe, man versteht was ich meine, ich weiß leider nicht, wie ich den Geruch anders beschreiben soll J ) und Medikamenten liegt in der Luft. Zum Glück gibt es keinen Stromausfall. Die Schülerinn und er Schüler sind schon versorgt und schlafen, also sprechen wir nur kurz mit dem Arzt und fahren dann weiter nach Nkambe. Als wir dort ankommen ist die Aufregung groß, denn eine weitere Schülerin wurde mit Malaria ins Health Center gebracht, als wir auf dem kurzen Stück von Binshua nach Nkambe waren. Eigentlich ist es nichts Außergewöhnliches für die Schüler, denn in den letzten Wochen waren mehrere Leute krank, aber, dass es gleich drei an einem Abend erwischt.. Mehr als in den Schlafsaal zu gehen können wir gerade aber auch nicht machen, also gehe ich noch kurz mit, um  nochmal nach dem Rechten zu schauen und sicherzugehen, dass sonst alle Mädchen wohlauf sind, bevor ich dann selbst erschöpft unter mein Moskitonetz krieche und schlafen gehe.

3 Kommentare:

  1. Hallo Milena,
    vielen Dank für deine ausführlichen und literarisch wertvollen Berichte. Viele Grüße.
    P. Anto

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  2. Meine Liebste,
    hoffentlich klären sich heute Deine Internetprobleme, damit wir wieder regelmäßiger in den Genuß kommen, Deine spannenden blog-Beiträge zu lesen, auf die sich schon viele Menschen freuen.

    Daiana sagte neulich, daß sei für sie das Highlight des Tages mit einer guten Tasse Kaffee deinen blog zu lesen und ich wundere mich und freue mich immer wieder, wie viele meiner Patienten genau über Dich informiert sind, weil sie deinen blog regelmäßig verfolgen.

    Es umarmt und küßt Dich Deine Mami

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  3. Und ich hatte ja schon fast die Hoffnung, du würdest dich mit Fußball noch einmal richtig anfreunden =)

    Pass bloß auf mit diesen Mücken und dem Malaria, wäre schön, wenn du verschont bleibst. Kannst ja den drei armen betroffenen ganz liebe Besserungswünsche aus den Philippinen übermitteln, dann sind sie bestimmt erst einmal so verwirrt, dass sie die Malaria ein wenig vergessen können.

    Alles gute, ich freu mich schon auf den nächsten Artikel
    Dein Max

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