Donnerstag, 6. September 2012

Wetterbericht, oder: Ein Herz für Baby-James

Ich habe vergessen meinen Vorhang zuzuziehen. Deswegen weckt mich die Sonne schon um sechs Uhr obwohl ich noch bis halb acht schlafen könnte. Im Haus ist es eigentlich immer kalt, aber in der Sonne ist es jetzt schon angenehm. Da ich gestern viele T-Shirts und Jacken gewaschen habe, die im Haus schlecht trocknen, freue ich mich über jeden Sonnenstrahl, der meine Kleider etwas trocknen kann, auch wenn im Haus ohnehin alles wieder klamm wird und bleibt. Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg ins Waisenhaus nach Shisong. Dort darf ich für heute einmal vorbeischauen, um alles kennenzulernen. Vorerst ist aber nicht vorgesehen, dass ich dort arbeite. Für mich ist das nicht schlimm, da ich ein tolles und abwechslungsreiches Programm vor mir habe. (Arbeit im St. Rita’s College, Shisong Hospital und Justice & Peace Office.. Alle Angaben ohne Gewähr) Ich kann bis Squares den Trampelpfad laufen und muss von dort aus ein Taxi nach Shisong nehmen, weil der Weg sonst zu weit ist. Die Schwester, die das Waisenhaus leitet, empfängt mich im Vorraum und bringt mich dann in eins der Zimmer, in dem sich die Kinder befinden.
Als ich vorsichtig die Tür öffne, schauen mich vier Paar große Kulleraugen an. Die Kleinen sind zwischen drei Monaten und zwei Jahren alt. Als ich mich hinknie, damit ich nicht so furchteinflößend groß bin, kommt, wenn auch ein bisschen zögerlich, die Älteste der Kinder auf mich zu. Als ich sie anlächele ist das Eis gebrochen und sie lacht ausgelassen zurück. Plötzlich höre ich einen Jauchzer aus der Ecke schräg hinter mir und kleine Händchen greifen nach meiner Jacke. „Das ist Baby-James“, wird mir erklärt. Ich bin sofort hin und weg. Mir wird erklärt, dass ich um elf schon nach Hause gehen soll, um etwas zu essen, weil die Schwester heute keine Zeit hat für mich zu kochen. Mir wird ein Dreimonatiges in den Arm gedrückt, das ich etwas herumtragen soll. Baby- James möchte gerne aus dem Laufstall, also nimmt mir eine Schwester den ganz Kleinen ab und ich hole ihn, nach einigem Kampf mit dem Laufstalltürmechanismus, auf meinen Arm. Aus dem Flur höre ich Stimmen und kurze Zeit später steht eine Freiwillige aus Italien vor mir, die aber perfekt deutsch spricht, da sie in Bern studiert. Sie wird das Waisenhaus in ein paar Tagen verlassen und gibt Sabrina, die ihre Nachfolgerin wird, ein paar wertvolle Tipps. Die Stunden vergehen wie im Flug mit den Kleinen und ich bin ein bisschen traurig, als ich James alias „Bébé“ in sein Bettchen bringen muss. Hier werden alle Kinder die noch klein sind (bis drei Jahre maximal) Bébé genannt. Leider konnte ich keine Bilder machen, weil dann die anderen Kinder traurig gewesen wären und das soll natürlich vermieden werden.
Als ich aus dem Waisenhaus heraustrete scheint immer noch schön die Sonne, aber die täglichen Regenwolken kriechen schon über die Berge. Glücklicherweise kann ich den Weg von Squares nach Hause noch zu Fuß zurücklegen. Als ich jedoch zu Hause bin, fängt es laut an zu donnern und zu grollen. Im Haus ist es so kalt, weil es auch draußen stark abgekühlt ist, dass ich mich mit dickem Pulli unter die Bettdecke kuschele. Kurz darauf fängt es wie aus Eimern an zu schütten. Ich bin den Regen schon gewöhnt aber so stark wie heute war es noch nie, seit ich hier bin.
Seit ich hier bin habe ich noch keinen einzigen Tag erlebt, an dem es nicht mindestens eine halbe Stunde geregnet hat. Für die Regenzeit ist das natürlich nicht ungewöhnlich, wobei ich dachte, dass wir uns schon in der Übergangsperiode zur Trockenzeit befänden. Dem ist nicht so, denn als ich nach zwei Stunden Mittagsschlaf aufwache und aus dem Fenster sehe, scheint es, als ginge die Welt unter. Es gießt und gießt, donnert und blitzt. Gut, dass ich es vor dem Gewitter nach Hause geschafft habe. Durch das Gewitter ist der Strom ausgefallen. Daran habe ich mich schon gewöhnt. Gestern war zwar besonders schlimm, weil der Strom für den ganzen Tag ausgefallen war, aber normalerweise kommt und geht er drei bis vier Mal am Tag.
Bei diesem Wetter bin ich immer wieder froh, meinen Regenmantel und die Gummistiefel gekauft zu haben, denn die Straßen werden durch den Regen komplett aufgeweicht und sind dadurch sehr matschig. Wenn es regnet/geregnet hat fahre ich auch nicht mit dem Motorrad, weil es so glatt ist, dass man leicht herunterfallen kann. Auch die Taxis schlittern wie bei Glatteis, wobei die Fahrer die Autos auf den nicht-asphaltierten Straßen sehr gut unter Kontrolle haben.
Gegen Abend hört es endlich auf zu regnen, auch der Strom kehrt zurück und ich verabrede mich mit Ivoline, die im Moment Besuch aus Deutschland hat, auf eine Flasche „Top“ (Limonade) in der „Upper Gallery Bar".

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