Dienstag, 5. Februar 2013

Zwischenseminar in Kribi, oder: There is a Place like Paradise



Als mich der Wecker unsanft aus meinem ohnehin schon zu kurzen Schlaf reißt ist es vier Uhr nachts. In einer halben Stunde werden Sabrina und ich vom Auto abgeholt, das uns nach Bamenda bringen wird.  Ich lasse mir beim Zähneputzen und Anziehen extra viel Zeit, da besonders die Autofahrer hier ihr eigenes Zeitverständnis haben. Umso überraschter bin ich, als der Fahrer sogar schon um 4.25 Uhr hupend vor unserer Tür steht. Die Fahrt nach Bamenda dauert circa drei Stunden. Das mit Abstand schlimmste Stück der Strecke ist von Kumbo nach Jakiri. Danach ist die Straße zwar nicht geteert bis kurz vor Bamenda, trotzdem ist sie aber begradigt und recht breit. Sie sollte eigentlich schon seit langer Zeit geteert sein, bis jetzt ist aber nichts davon zu erkennen. Die Caterpillar Raupen und Walzen stehen am Straßenrand wie große, schlafende Ungeheuer.

In Bamenda steigen wir auf einen Reisebus um, der uns in sieben Stunden nach Douala bringen soll. Hierbei handelt es sich entweder um sehr sehr alte Mercedes-Benz- Reisebusse oder um kleinere Busse von Toyota. Es ist sehr selten, andere Automarken als Toyota zu sehen, da für diese die Ersatzteile sehr leicht zu erhalten sind und die Autos billiger zu erwerben sind. Es ist mein erstes Mal, in einem öffentlichen Bus nach Douala zu reisen und nachdem mir unzählige Schauergeschichten von Unfällen erzählt wurden, habe ich ein etwas mulmiges Gefühl. Sabrina versichert mir aber, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche, denn sie ist schon öfter Bus gefahren.
Trotzdem sende ich ein Stoßgebet 'gen Himmel, als sich der Bus ruckelnd in Bewegung setzt. Da ich im Auto kein Auge zumachen konnte, weil sich Sabrina und ich gemeinsam einen halben Sitz teilen mussten, bin ich dankbar um einen eigenen Platz und mir fallen schnell die Augen zu. Lange währt die Erholung jedoch nicht, denn nur 15 Minuten später werde ich von einem Mann geweckt, der mir mit einem Tütchen im Gesicht herumfuchtelt, das scheinbar mit irgendwelchen Kräutern gefüllt ist. Es helfe Gegen Malaria, Husten, Bauchweh und Potenzstörungen, so erklärt er aufgeregt den anderen Mitfahrern. Neben diesem dubiosen Pulver versucht er ebenfalls, Zahnweißpulver, von dem ich glaube, dass es sich um einfaches Backpulver handelt, Hautöl und Haarwachs an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Ich bin sehr amüsiert und an Schlaf ist nicht mehr zu denken.
Nachdem er wenigstens ein paar Produkte loswerden konnte, wird er von einer Art Priester abgelöst (aber kein Priester ist), der uns auffordert ein Lied zu singen, damit wir von Gott mit Schutz überströmt werden. Wer neben dem Singen auch noch mitklatscht, wird doppelt beschützt. In Deutschland wäre es absolut undenkbar gewesen, mich in einem öffentlichen Bus so zum Deppen zu machen- obwohl man hier natürlich wegen der Hautfarbe jede Sekunde unter Beobachtung steht- hier ist mir das aber recht egal und doppelt beschützt zu sein, schadet schließlich nie.

Als die Vorstellung vorüber ist, halten wir schon das erste Mal. In wenigen Sekunden wird der Bus von Frauen mit Obst, Plantain- Chips, Getränken und anderen Dingen gestürmt. Bis hinunter auf die Straße sind es bestimmt zwei Meter, wir sitzen also recht hoch, trotzdessen wird auch von außen vieles zum Verkauf angepriesen. Wenn man Interesse an etwas gefunden hat, öffnet man das Fester, schreit die Bestellung herunter, das Gekaufte wird in einer gekonnten Bewegung zu dir hochgeworfen (ich mit meinen Fang- und Wurfproblemen werde wohl ausschließlich im Bus kaufen) und anschließend wird das Geld auf die Straße geworfen, wo es von den Verkäufern emsig aufgesammelt wird.
An solchen Stellen halten wir noch gefühlte 200 Mal bevor wir nach acht Stunden vollkommen verschwitzt in Douala ankommen. Wir können nicht direkt nach Kribi weiterreisen, müssen also eine Nacht in einem Hostel verbringen.

Am nächsten Morgen setzten wir unsere Reise nach Kribi fort. Die Nacht war zwar länger, als die letzte, aber aufgrund der tropischen Temperaturen und fehlender Klimaanlage wirklich nicht gerade angenehm.
In Kribi kommen wir um elf Uhr an. Dass ich mich bis Douala überhaupt nicht auf den Urlaub an der Küste gefreut habe, ändert sich schlagartig, als ich das erste Mal das Meer erblicke. Die Freude währt aber leider nicht allzu lange, denn der Priester, der das Seminar mitleitet ist immer noch nicht  zu erreichen. Zum Glück habe ich jemanden organisieren können, der uns abholt. Mit ihm irren wir bis drei Uhr völlig entnervt durch Kribi, bis das Haus, in dem das Seminar stattfindet, endlich ausfindig gemacht werden kann.
Hierbei handelt es sich um ein großes Ferienhaus eines französischen Industriellen, dass uns netterweise zur Verfügung gestellt wurde. Alles ist auf europäischem Standard. Als ich das mamorgeflieste Bad betrete und den Spiegel, die Dusche und den Waschtisch erblicke, fange ich aus Erschöpfung fast an zu weinen. Wieder einmal wird mir bewusst, dass ich hier doch nie wirklich leben könnte und den 'Luxus' in Deutschland mittlerweile doch schmerzlich vermisse.
Da es weder Strom noch Wasser gibt, gehen wir direkt mit den anderen zwei Freiwilligen zum Meer, das sich auf der anderen Straßenseite befindet. Als ich den ersten Fuß in den Sand setze fehlen mir die Worte. Ein paar Bilder können es glaube ich besser beschreiben, als jedes Wort. Doch, ein Wort habe ich: Das Paradies. Aber eine richtige Abkühlung ist das Wasser nicht. Obwohl es schon halb sieben ist und die Sonne untergeht, ist es immer noch bestimmt 26°C warm. Vielleicht auch wärmer, mit dem Schätzen habe ich es nicht so.
Dass wir so eine kleine Runde sind, ist in den Arbeitseinheiten wirklich von Vorteil, da wir daher sehr intensiv unsere Probleme, Visionen und Projekte besprechen können.

Als es am nächsten Mittag endlich Wasser gibt und ich unter die Dusche springe, fange ich tatsächlich an zu weinen. Es ist mittlerweile ein halbes Jahr her, dass ich warm geduscht habe. Eigentlich wäre kalt Duschen bei diesem Temperaturen viel passender, aber ich kann es mir nicht verkneifen, den Warmwasserknopf aufzudrehen.
In der nächsten Nacht wandelt sich mein Wohlbefinden jedoch in stechende Kopf- und Rückenschmerzen, sowie Bauchkrämpfe, mit allem, was dazugehört.
Mittags habe ich 40°C Fieber und bin nur sehr kurz wach, ansonsten verschlafe ich den ganzen Tag.
Das einzige, was ich denke ist: Bitte nicht schon wieder Malaria. Als wir am nächsten Tag ins Krankenhaus fahren geht es mir etwas besser, zumindest die Rückenschmerzen sind weg.
Fünf Stunden später sind die Blutresultate da und der Malariatest war  negativ. Auch wenn das nicht bedeutet, dass ich keine Malaria habe, da der Test sehr leicht verfälscht werden kann, bin ich erleichtert und gleichzeitig beunruhigt, da ich nun nicht weiß, was ich stattdessen habe.

Ich entscheide mich aber dafür,  trotzdem dienstag-früh abzureisen, damit ich mich in einer gewohnten Umgebung erholen kann. Etwas enttäuscht bin ich trotzdem, denn nun habe ich das Meer und den schönen Strand überhaupt nicht genießen können. Deswegen ist für mich klar, dass ich auf jeden Fall nochmal nach Kribi muss.

Wir machen uns so früh auf den Rückweg, dass wir schon um zwölf Uhr in Douala ankommen. Der Busabfahrtsort liegt jedoch in den Outskirts am anderen Ende der Stadt. Als wir dort gegen ein Uhr ankommen ist der Hof wie leergefegt. Als wir nachfragen dann der Schock: Der nächste Bus nach Bamenda fährt um 21.30 Uhr. Wäre ich nicht in Kamerun, hätte ich glaube ich einen Nervenzusammenbruch bekommen. Sabrina ist mittlerweile auch krank und wir müssen fast den gesamten Tag jetzt hier ausharren. Eines habe ich hier jedoch gelernt: geduldig sein. Also verfalle ich in der busargentureigenen Bar in eine Art Energiesparmodus. Um 16 Uhr gehen wir dann in zwei nahgelegene Boulangerien, wo wir für sage und schreibe drei Stunden Eye- Shopping betreiben und im Endeffekt nur eine Flasche Cola und Brötchen kaufen.

Für die Rückfahrt haben wir Plätze in einem VIP-Bus reserviert, der sogar eine Klimaanlage hat. Schlussendlich kommen wir, nach mehrfachem Autotausch zwischen Bamenda und Kumbo, um halb 11 zu Hause an. Es gibt kein Wasser, weswegen ich einfach ins Bett falle und schlafe.

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