Als mich der Wecker unsanft aus meinem ohnehin
schon zu kurzen Schlaf reißt ist es vier Uhr nachts. In einer halben Stunde
werden Sabrina und ich vom Auto abgeholt, das uns nach Bamenda bringen
wird. Ich lasse mir beim Zähneputzen und
Anziehen extra viel Zeit, da besonders die Autofahrer hier ihr eigenes
Zeitverständnis haben. Umso überraschter bin ich, als der Fahrer sogar schon um
4.25 Uhr hupend vor unserer Tür steht. Die Fahrt nach Bamenda dauert circa drei
Stunden. Das mit Abstand schlimmste Stück der Strecke ist von Kumbo nach
Jakiri. Danach ist die Straße zwar nicht geteert bis kurz vor Bamenda, trotzdem
ist sie aber begradigt und recht breit. Sie sollte eigentlich schon seit langer
Zeit geteert sein, bis jetzt ist aber nichts davon zu erkennen. Die Caterpillar
Raupen und Walzen stehen am Straßenrand wie große, schlafende Ungeheuer.
In Bamenda steigen wir auf einen Reisebus um,
der uns in sieben Stunden nach Douala bringen soll. Hierbei handelt es sich
entweder um sehr sehr alte Mercedes-Benz- Reisebusse oder um kleinere Busse von
Toyota. Es ist sehr selten, andere Automarken als Toyota zu sehen, da für diese
die Ersatzteile sehr leicht zu erhalten sind und die Autos billiger zu erwerben
sind. Es ist mein erstes Mal, in einem öffentlichen Bus nach Douala zu reisen
und nachdem mir unzählige Schauergeschichten von Unfällen erzählt wurden, habe
ich ein etwas mulmiges Gefühl. Sabrina versichert mir aber, dass ich mir keine
Sorgen zu machen brauche, denn sie ist schon öfter Bus gefahren.
Trotzdem sende ich ein Stoßgebet 'gen Himmel,
als sich der Bus ruckelnd in Bewegung setzt. Da ich im Auto kein Auge zumachen
konnte, weil sich Sabrina und ich gemeinsam einen halben Sitz teilen
mussten, bin ich dankbar um einen eigenen Platz und mir fallen schnell die
Augen zu. Lange währt die Erholung jedoch nicht, denn nur 15 Minuten später
werde ich von einem Mann geweckt, der mir mit einem Tütchen im Gesicht
herumfuchtelt, das scheinbar mit irgendwelchen Kräutern gefüllt ist. Es helfe
Gegen Malaria, Husten, Bauchweh und Potenzstörungen, so erklärt er aufgeregt
den anderen Mitfahrern. Neben diesem dubiosen Pulver versucht er ebenfalls,
Zahnweißpulver, von dem ich glaube, dass es sich um einfaches Backpulver handelt,
Hautöl und Haarwachs an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Ich bin sehr
amüsiert und an Schlaf ist nicht mehr zu denken.
Nachdem er wenigstens ein paar Produkte
loswerden konnte, wird er von einer Art Priester abgelöst (aber kein Priester
ist), der uns auffordert ein Lied zu singen, damit wir von Gott mit Schutz
überströmt werden. Wer neben dem Singen auch noch mitklatscht, wird doppelt
beschützt. In Deutschland wäre es absolut undenkbar gewesen, mich in einem
öffentlichen Bus so zum Deppen zu machen- obwohl man hier natürlich wegen der
Hautfarbe jede Sekunde unter Beobachtung steht- hier ist mir das aber recht
egal und doppelt beschützt zu sein, schadet schließlich nie.
Als die Vorstellung vorüber ist, halten wir
schon das erste Mal. In wenigen Sekunden wird der Bus von Frauen mit Obst,
Plantain- Chips, Getränken und anderen Dingen gestürmt. Bis hinunter auf die
Straße sind es bestimmt zwei Meter, wir sitzen also recht hoch, trotzdessen
wird auch von außen vieles zum Verkauf angepriesen. Wenn man Interesse an etwas
gefunden hat, öffnet man das Fester, schreit die Bestellung herunter, das
Gekaufte wird in einer gekonnten Bewegung zu dir hochgeworfen (ich mit meinen
Fang- und Wurfproblemen werde wohl ausschließlich im Bus kaufen) und
anschließend wird das Geld auf die Straße geworfen, wo es von den Verkäufern
emsig aufgesammelt wird.
An solchen Stellen halten wir noch gefühlte
200 Mal bevor wir nach acht Stunden vollkommen verschwitzt in Douala ankommen.
Wir können nicht direkt nach Kribi weiterreisen, müssen also eine Nacht in
einem Hostel verbringen.
Am nächsten Morgen setzten wir unsere Reise
nach Kribi fort. Die Nacht war zwar länger, als die letzte, aber aufgrund der
tropischen Temperaturen und fehlender Klimaanlage wirklich nicht gerade
angenehm.
In Kribi kommen wir um elf Uhr an. Dass ich
mich bis Douala überhaupt nicht auf den Urlaub an der Küste gefreut habe,
ändert sich schlagartig, als ich das erste Mal das Meer erblicke. Die Freude
währt aber leider nicht allzu lange, denn der Priester, der das Seminar
mitleitet ist immer noch nicht zu
erreichen. Zum Glück habe ich jemanden organisieren können, der uns abholt. Mit
ihm irren wir bis drei Uhr völlig entnervt durch Kribi, bis das Haus, in dem
das Seminar stattfindet, endlich ausfindig gemacht werden kann.
Hierbei handelt es sich um ein großes
Ferienhaus eines französischen Industriellen, dass uns netterweise zur
Verfügung gestellt wurde. Alles ist auf europäischem Standard. Als ich das
mamorgeflieste Bad betrete und den Spiegel, die Dusche und den Waschtisch
erblicke, fange ich aus Erschöpfung fast an zu weinen. Wieder einmal wird mir
bewusst, dass ich hier doch nie wirklich leben könnte und den 'Luxus' in
Deutschland mittlerweile doch schmerzlich vermisse.
Da es weder Strom noch Wasser gibt, gehen wir
direkt mit den anderen zwei Freiwilligen zum Meer, das sich auf der anderen
Straßenseite befindet. Als ich den ersten Fuß in den Sand setze fehlen mir die
Worte. Ein paar Bilder können es glaube ich besser beschreiben, als jedes Wort.
Doch, ein Wort habe ich: Das Paradies. Aber eine richtige Abkühlung ist das
Wasser nicht. Obwohl es schon halb sieben ist und die Sonne untergeht, ist es
immer noch bestimmt 26°C warm. Vielleicht auch wärmer, mit dem Schätzen habe
ich es nicht so.
Dass wir so eine kleine Runde sind, ist in den
Arbeitseinheiten wirklich von Vorteil, da wir daher sehr intensiv unsere
Probleme, Visionen und Projekte besprechen können.
Als es am nächsten Mittag endlich Wasser gibt
und ich unter die Dusche springe, fange ich tatsächlich an zu weinen. Es ist
mittlerweile ein halbes Jahr her, dass ich warm geduscht habe. Eigentlich wäre
kalt Duschen bei diesem Temperaturen viel passender, aber ich kann es mir nicht
verkneifen, den Warmwasserknopf aufzudrehen.
In der nächsten Nacht wandelt sich mein
Wohlbefinden jedoch in stechende Kopf- und Rückenschmerzen, sowie Bauchkrämpfe,
mit allem, was dazugehört.
Mittags habe ich 40°C Fieber und bin nur sehr
kurz wach, ansonsten verschlafe ich den ganzen Tag.
Das einzige, was ich denke ist: Bitte nicht schon
wieder Malaria. Als wir am nächsten Tag ins Krankenhaus fahren geht es mir
etwas besser, zumindest die Rückenschmerzen sind weg.
Fünf Stunden später sind die Blutresultate da
und der Malariatest war negativ. Auch
wenn das nicht bedeutet, dass ich keine Malaria habe, da der Test sehr leicht
verfälscht werden kann, bin ich erleichtert und gleichzeitig beunruhigt, da ich
nun nicht weiß, was ich stattdessen habe.
Ich entscheide mich aber dafür, trotzdem dienstag-früh abzureisen, damit ich
mich in einer gewohnten Umgebung erholen kann. Etwas enttäuscht bin ich
trotzdem, denn nun habe ich das Meer und den schönen Strand überhaupt nicht
genießen können. Deswegen ist für mich klar, dass ich auf jeden Fall nochmal
nach Kribi muss.
Wir machen uns so früh auf den Rückweg, dass
wir schon um zwölf Uhr in Douala ankommen. Der Busabfahrtsort liegt jedoch in
den Outskirts am anderen Ende der Stadt. Als wir dort gegen ein Uhr ankommen
ist der Hof wie leergefegt. Als wir nachfragen dann der Schock: Der nächste Bus
nach Bamenda fährt um 21.30 Uhr. Wäre ich nicht in Kamerun, hätte ich glaube
ich einen Nervenzusammenbruch bekommen. Sabrina ist mittlerweile auch krank und
wir müssen fast den gesamten Tag jetzt hier ausharren. Eines habe ich hier
jedoch gelernt: geduldig sein. Also verfalle ich in der busargentureigenen Bar
in eine Art Energiesparmodus. Um 16 Uhr gehen wir dann in zwei nahgelegene
Boulangerien, wo wir für sage und schreibe drei Stunden Eye- Shopping betreiben
und im Endeffekt nur eine Flasche Cola und Brötchen kaufen.
Für die Rückfahrt haben wir Plätze in einem
VIP-Bus reserviert, der sogar eine Klimaanlage hat. Schlussendlich kommen wir,
nach mehrfachem Autotausch zwischen Bamenda und Kumbo, um halb 11 zu Hause an.
Es gibt kein Wasser, weswegen ich einfach ins Bett falle und schlafe.
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