Diese
Woche ist Test-Week.
Also
muss ich für meine drei Klassen einen Test entwerfen.. Das fällt mir aber nicht
schwer, denn eine Stunde hat nur 40 Minuten und hier gibt es keine Arbeiten,
die ausgeteilt und bearbeitet werden, sondern die Schüler müssen die Aufgaben
von der Tafel abschreiben.
Gleich
nach der morgendlichen Messe ist die Form One an der Reihe. Als ich den
Klassenraum betrete ist das Geschrei schon groß: „Madame, Madame, ich werde
kläglich versagen, Deutsch ist sooooo schwer !“ Ich versuche zu beschwichtigen,
indem ich meinen Kids erkläre, dass der Test ganz einfach sein wird und sie
sich keine Sorgen machen sollen.
Und
dann geht es auch schon los: Ich schreibe die Aufgaben an die Tafel und zu
meiner Überraschung ist meine sonst so lebhafte Klasse vollkommen still und
schreibt gebannt von der Tafel ab. Nur Leslie, der Klassenclown mit dem
charmanten Lächeln schreibt nicht. „Leslie, what’s the matter?“ Leslie, was ist los, frage ich ihn.
„Ach
Madame Mel, dein Kleid ist heute so schön.“, antwortet er mir grinsend..
Dieser
Junge treibt mich manchmal in den Wahnsinn,.. Aber ich kann ihm einfach nicht
böse sein. Also frage ich ihn, was wirklich los ist.. Es stellt sich heraus,
dass er seinen Stift vergessen hat. Glücklicherweise bin ich darauf vorbereitet
und habe eine ganze Schachtel Kugelschreiber mitgebracht. Jetzt, nachdem auch
der Klassencharmeur versorgt ist, kann ich beruhigt durch die Reihen gehen und
aufpassen, dass niemand einen Spickzettel mitgebracht hat. Die meisten meistern
die Aufgaben (sich selbst vorstellen, die Wochentage und die Farben) sehr gut
und schon ist die Zeit auch schon herum. Ich muss die Arbeiten sehr schnell
einsammeln und dann auch schon zu meinen Form Three’ern rennen, damit sie auch
volle vierzig Minuten haben.
Da
wir schon Konjugationen durchgenommen haben, muss ich mehr an die Tafel
schreiben. Dies stellt sich schnell als Problem heraus, denn sobald ich meinen
Rücken der Klasse zukehre, wird natürlich geflüstert und verglichen. Egal wie
oft ich sie ermahne, das Geflüster
bleibt. Als ich endlich fertig bin und mich umdrehe, erwische ich prompt einen Schüler
beim spicken. Langsam aber stetig sinkt meine Stimmung und ich frage mich, ob
die Schüler mich für blöd halten und denken, ich würde ihnen das durchgehen
lassen. Tue ich natürlich nicht. Für Emmanuel heißt es: Zero over Twenty. Null
Punkte. Er versucht sich zu winden und herauszureden, aber ich bleibe hart.
Madame Mel kann auch anders. Ich bin nicht immer die nette und verständnisvolle
Deutsche. Auch wenn die anderen Schüler leicht geschockt sind habe ich so
wenigstens ein Zeichen gesetzt. Der Rest der Stunde verläuft mucksmäuschen
still. Ich sammele am Ende ihre Tests ein, schenke aber niemandem ein Lächeln,
auch wenn es mir sehr schwerfällt. Wie soll das nur in meiner Rabaukenklasse,
der Form Two, werden, wenn es hier schon so schwierig war.
Die Situation, dass man die Aufgaben an die Tafel schreiben muss und die
Tatsache, dass ich viel an die Tafel schreiben muss, da es sich bei den
abzufragenden Dingen hauptsächlich um Vokabeln und Sätze oder Konjugationen
handelt, ist mehr als unglücklich. Jetzt weiß ich, warum meine Lehrerkollegen
immer so über die Test- Week geschimpft haben.
Mit
gemischten Gefühlen betrete ich den Klassenraum der Form Two. In dieser Klasse
sind mit Abstand am meisten Schüler und am wenigsten Tische, was bedeutet, dass
ich sie nicht einmal entfernt voneinander setzen kann. Es sitzen also an vielen
Tischen nicht zwei, sondern drei oder sogar vier Kinder. Und es ist die
wildeste meiner Klassen noch dazu.
Um
die chaotischsten vierzig Minuten seit langem etwas abzukürzen: Es gibt keine
andere Möglichkeit, als in dieser Klasse den Test zu wiederholen, weil viel zu
viele Schüler abgeschrieben haben, auch wenn die Hälfte falsch war. Abschreiben
geht wirklich nicht. Und das müssen meine Kiddis ein für alle Mal verstehen.
Der
Test wird am Mittwoch wiederholt. Davor habe ich zum Glück genug Zeit, die
Tests der restlichen Klassen zu kontrollieren. Mit meinen Form One’s bin ich unglaublich zufrieden und stolz: Fast
alle haben bestanden, obwohl die Rechtschreibung so schwer für sie ist und sie
mündlich noch viel besser sind. Als ich vorschlage, noch einen mündlichen Test
zu machen, sind alle begeistert. Begeisterung über einen Test. Das habe ich
auch noch nie erlebt. In der 9. Klasse (Form 3) sieht es nicht ganz so rosig
aus, es hat weniger als die Hälfte bestanden, aber ich habe den Test auch nicht
gerade einfach gestaltet. Bei der Korrektur an der Tafel fällt mir aber auf,
dass die Schüler eigentlich alles wissen, jedoch nicht ganz sicher sind, wie
sie es aufschreiben, also buchstabieren, sollen.
Hier sind wir wieder bei meinem
Anfangsproblem: Die Schüler malen die Buchstaben mehr von der Tafel ab, als
dass sie sich Gedanken über die Wörter machen. Einmal schreiben sie ‚Ich
heiße…‘ und das nächste Mal schreiben sie ‚Ish hiese…‘. Und ihnen ist nicht
klar, dass es sich um ein und denselben Satz handelt. Das Problem muss von der
Wurzel an behandelt werden, aber wie soll man etwas ändern, was in allen
anderen Fächern und Unterrichtsstunden genau so weiter praktiziert wird? Der
Lehrer schreibt an, spricht vor, die Schüler wiederholen und schreiben ab. Ohne
wirklich darüber nachzudenken, was sie überhaupt sagen oder schreiben.
Eigenleistung (was wir in der Schule als Transferleistungen kennengelernt
haben) findet hier nicht statt. Repetitio est mater studiorum. Nicht, dass
Wiederholung nicht wichtig ist, aber wenn die Schüler einfach gedankenlos und
gebetsmühlenartig nachsprechen, was ihnen vorgegeben wird, bleibt auch nichts
hängen. Und sie können nicht einmal etwas dafür, denn sie kennen es ja nicht
anders.
Auch
hier wird mein Angebot, einen zusätzlichen mündlichen Test zu machen, dankbar
angenommen. Zum Ende suche ich mir noch fünf Schüler aus, die mit mir gemeinsam
den Test in der Form Two beaufsichtigen. Auch der Dicipline Master (und Französischlehrer)
möchte mich unterstützen, aber ich mache ihm freundlich aber bestimmt klar,
dass ich genug Leute für die „supervision“ gefunden habe. Ich hatte vergangene
Woche schoneinmal das Gespräch zu ihm gesucht, da er die Schüler mit einem
Rohrstock schlägt und ich das nicht sehen möchte. Ich weiß, dass es an den
Schulen Gang und Gebe ist mit dem Rohrstock zu bestrafen, aber auch Fr.
Johannes (der die Schule leitet und gleichzeitig ja mein „Gastpapa“ ist) ist
gegen Schlagen, da er aber auch erst im Sommer als Direktor ans St. Rita’s
gekommen ist, haben die Lehrer noch keinen so rechten Respekt vor ihm und
erkennen die „westlichen“ Unterrichtsmethoden nicht wirklich an.
Dieser
Test verläuft wesentlich besser und disziplinierter. Vielleicht liegt dies
daran, dass ich verlangt habe, dass die Tische komplett leer sein müssen, ich
eigene Stifte und eigenes Papier mitgebracht habe, vielleicht aber auch daran
dass meine fünf Supervisors ihre Rolle sehr ernst nehmen und wirklich kein
Erbarmen haben. Auf jeden Fall war es totenstill im Raum und keiner hat sich
getraut auch nur einen Blick auf das Blatt des Nachbarn zu werfen.
Als
der Test vorbei ist und ich wieder auf dem Weg zum Haus bin, weil es
Mittagessen gibt, kommt Sandra aus der
Form Three hinter mir her gerannt und drückt mir ihr Heft in die Hand. Sie habe
versucht ein paar Sätze aus den Vokabeln zu bilden und ich soll sie doch bitte
kontrollieren, sagt sie mir schüchtern.
Jetzt
bin ich wahnsinnig stolz und mein Tag ist gerettet, denn ich kann meine Tests
sogar draußen in der Sonne korrigieren.