Sonntag, 16. Juni 2013

Über die Freundschaftsbändchen- knüpf- Sucht meiner Schüler, oder: Tod im Bus



Nachdem in den letzten Wochen im Krankenhaus der Alltag regierte und es nicht viel zu erzählen gab, mache ich mich auf den Weg nach Yaoundé, um meine Freundin vom Flughafen abzuholen. Dadurch, dass die Schüler der weiterführenden Schulen in eineinhalb Wochen Ferien haben, habe ich eine Woche in Nkambe verbracht, um die letzte Schulwoche mit meinen Schülern zu verbringen. Der Gedanke, mich von meinen Kleinen verabschieden zu müssen, schmerzt jetzt schon. Der Regen zeiht nun unaufhaltsam übers Land und so verbringe ich sehr viel Zeit mit den Schülern auf dem Wohnzimmerteppich von Fr. Johannes. Seit ich ihnen beigebracht habe Freundschaftsbändchen zu knüpfen, verbringen sie jede freie Sekunde damit.

Und dann ist der Tag vor der Ankunft meiner Freundin endlich da. Auf dem Weg von Kumbo nach Bamenda haben wir zwei Mal eine Reifenpanne. Gegen acht Uhr erreiche ich endlich Bamenda und kaufe mir ein Ticket für den Nachtbus, planmäßige Abfahrt ist um 21 Uhr.

22:47 Uhr - Der Bus setzt sich endlich in Bewegung. Ich bin müde, weswegen ich recht schnell einschlafe. Auf geteerten Straßen ist das kein Problem, im Gegensatz zu den mittlerweile matschigen Buckelpisten. Als ich das nächste Mal aufwache, trifft mich fast der Schlag – Neben mir sitzt ein B.I.R. -Soldat (die Intensiveforce des Präsidenten). Gekleidet ganz in schwarz und auf einem Maschinengewehr lehnend. Über seine Schulter ist ein Munitionsgürtel gelegt. Neben dem Fahrer erspähe ich einen zweiten Soldaten. Nach dem ersten Schock bin ich aber beruhigt und froh, dass sie hier sind.
Nachdem Ende Januar im Extremnorden eine französische Familie von Nigerianern entführt wurde, ist es auch zu mehrfachen Überfällen auf Reisebusse gekommen. Eine amerikanische Freiwillige war in einem dieser Busse. Die Terroristen haben die Businsassen an der Außenseite des Busses aufgereiht. Als eine Frau versuchte zu verhandeln, wurde ihr in den Kopf geschossen.
Gegen sechs Uhr früh erreiche ich Yaoundé. Die Zeit bis zur Ankunft meiner Freundin zieht sich wie Kaugummi, aber als sie dann endlich ankommt, ist die Freude natürlich groß. Wir fahren noch in der gleichen Nacht nach Kumbo, um am Folgetag nach Nkambe gebracht zu werden.

Als wir in einen kleinen 15 Personenbus (in den in Deutschland maximal neun Leute gesetzt werden würden) sitzt in der Reihe vor uns eine Mutter mit ihrer ca. vier jährigen Tochter. Das Mädchen atmet sehr röchelnd und mit langen Pausen zwischen den Atemzügen. Der Bauch ist so prall geschwollen, dass er glänzt. Mir wird klar, dass die Mutter das Kind nach Kumbo ins Krankenhaus bringen möchte, aber leider ist mir im selben Moment genauso klar, dass sie es nicht schaffen wird. Ich habe leider schon sehr viele solcher Fälle auf der Arbeit gesehen. Das Mädchen ist im Gesicht und an den Armen übersät mit den typischen „native drugs“ Narben, die in die Haut geritzt werden um die Tinkturen aufzutragen. Daraus kann man oft schließen, dass die Personen/Kinder auf traditionelle Medikamente schlucken, denn es ist meist eine Kombinationstherapie. Wie ich in einem anderen Blogeintrag schon erzählt hatte, sind die Medikamente der traditionellen Heiler sehr leberschädigend und häuft falsch dosiert, für Kinder meist viel zu hoch.
Bevor wir es merken fängt plötzlich die Sitznachbarin der Mutter an zu weinen und die Mutter schüttelt das Kind. Es hat aufgehört zu atmen. Auch wenn ich es fast befürchtet habe, sind meine Freundin und ich verstört. Wobei es fast verstörender ist, wie die anderen Businsassen und die Mutter regieren, als der Fakt, dass gerade ein Kind gestorben ist. Die Mutter sagt nur immer wieder, in einer erschreckend gleichgültigen Stimme „Oh man, oh man“ und die anderen Mitfahrer sind fast desinteressiert und gleichgültig. Die einzige Person, die so perplex ist wie wir und sogar weint, ist die Sitznachbarin der Frau. Diese ist mittlerweile mit ihrer leblosen Tochter aus dem Bus ausgestiegen und ordert ihr Gepäck vom Dach des Busses. Die umherstehenden Menschen registrieren gar nicht, dass das Kind auf ihrem Arm nicht lebt, ich schätze sie vermuten, es schläft einfach.

Ich bin froh, als sich der Bus endlich in Bewegung setzt und wir die verstörende Situation hinter uns lassen. Auf der restlichen Fahrt sind meine Freundin und ich absorbiert von der traumhaften Aussicht und ich werde ein weiteres Mal von der Schönheit des Landes in den Bann gezogen.

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