Sonntag, 16. Juni 2013

Nationalday, oder: Parting is such sweet sorrow

Der 20. Mai ist der Kamerunische Nationalfeiertag, der aufgrund der Wiedervereinigung Kameruns gefeiert wird. Nach einer mehr oder weniger ruhigen Nacht machen wir uns gegen zehn Uhr auf den Weg zum „Grand Stand“, einer Art Podium mit Stühlen, um die Parade zu verfolgen. Als Erstes marschieren die Grundschüler aller Schulen Nkambes und Umgebung. Es ist wirklich süß anzusehen, mit welcher Gewissenhaftigkeit die Kleinen in ihren Schuluniformen marschieren. Nachdem alle Grundschulen an uns vorüber gelaufen sind, folgen die weiterführenden Schulen und Lehrer-Training-Colleges. Als St. Rita's an der Reihe ist, wird viel gejubelt und großes Lob ausgesprochen, da alle Schüler nicht nur eine einheitliche saubere und ordentliche Uniform tragen, sondern auch gleiche Schuhe. Vo Auf alle Schulen folgen dann die Partei des Staatspräsidenten Paul Biya und die sozialistische Partei. Um drei Uhr ist dann endlich die letzte Person an uns vorbeimarschiert und wir können uns auf den Nachhauseweg machen.

Der nächste Tag bricht viel zu früh an und ich würde am liebsten im Bett bleiben. Heute muss ich mich von meinen Schülern verabschieden und alleine beim Gedanken daran bekomme ich einen Kloß im Hals. Um zwölf Uhr wird eine Abschiedsmesse für mich veranstaltet und Father Johannes hält eine Predigt extra für mich. Nach der Messe werden eine Rede von der Schulsprecherin und dem stellvertretenden Schulleiter gehalten. Davor jedoch bin ich an der Reihe. Schon als ich den Weg nach vorne mache, sind meine Beine wie Kaugummi. Als ich mich jedoch umdrehe und die gesamte Schülerschaft vor mir sitzen sehe, ist es einfach zu viel für mich. Ich kriege zwei halbe Sätze heraus bevor ich anfange zu weinen. Ich versuche mich zu beherrschen aber es ist einfach nicht möglich. Zum Glück sehe ich, dass auch Madame Hycenta, meine liebste Kollegin und Mutter meiner besten Schüler die Tränen nicht zurückhalten kann. Als ich mich wieder hinsetze bin ich froh, dass ich meine Freundin neben mir habe, das macht die ganze Situation um ein hundertfaches erträglicher.
Nach dem sentimentalen Teil folgen die Fotos und die scheinende Sonne hebt auch zum Glück gleich die Stimmung. Den Rest des Tages verbringen wir mit den Schülern, indem wir wieder Bändchen knüpfen und wir können uns auch schon auf morgen freuen, wir fahren nämlich nach Akweto, der Outstation, die ich schon einmal mit Father Edwin Njongai besucht habe. Die Bilder sprechen für sich:




 
 


 

Auch für den nächsten Tag haben wir einen Plan: Wir besuchen das örtliche Gefängnis. Es hatte mich schon immer interessiert, wie die Verhältnisse dort sind, aber als auch meine Freundin fragt, ob wir es möglicherweise zu besichtigen sei, verspricht uns Schwester Fidela, die Sekräterin St. Rita's, uns mit dorthin zu nehmen, da sie mit den Häftlingen singt und sich unterhält und manchmal auch kocht, also eine Art Seelsorge macht. Als wir das Gefängnis betreten habe ich ein recht mulmiges Gefühl, als wir jedoch in den Hof gehen, bin ich positiv überrascht. Alle Häftlinge können sich tagsüber im Innenhof in der Sonne aufhalten. Auch die Zellen in denen sechs oder mehr Personen schlafen, sehen recht gut aus. Der Boden ist sauber, es gibt Stockbetten und sogar Mosquitonetze. Ich hatte es mir offengestanden wesentlich menschenunwürdiger vorgestellt. Es konnte aber auch unmöglich für unsaufgeräumt worden sein, weil wir unangekündigt zu Besuch kamen. Schon nach kurzer Zeit bestürmen und begrüßen uns die Insassen des Gefängnisses und wollen uns handgefertigte und bestickte Taschen verkaufen. Einer Frau, die besonders schöne Taschen gefertigt hat, kaufe ich ein paar ab, um sie als Shopping Taschen zu benutzen.
Nachdem wir noch gemeinsam beten und ein Lied gesungen wird, machen wir uns auf den Nachhauseweg, da es schon spätnachmittags ist.

Den letzten Tag verbringen wir damit, Chocolate-Chip- und Zitronencookies zu backen, ebenso wie einen Schokoladen-Bananenkuchen, den ich so oft gebacken habe, als ich noch in St. Rita's gewohnt habe und den Fr. Johannes und Br. Elias so lieben. Die Freude darüber ist natürlich riesig, als wir abends die leckeren Sachen auf den Tisch stellen.
Am nächsten Tag fahren wir also nach vielen Erlebnissen mit einem guten Gefühl nach Kumbo.












Über die Freundschaftsbändchen- knüpf- Sucht meiner Schüler, oder: Tod im Bus



Nachdem in den letzten Wochen im Krankenhaus der Alltag regierte und es nicht viel zu erzählen gab, mache ich mich auf den Weg nach Yaoundé, um meine Freundin vom Flughafen abzuholen. Dadurch, dass die Schüler der weiterführenden Schulen in eineinhalb Wochen Ferien haben, habe ich eine Woche in Nkambe verbracht, um die letzte Schulwoche mit meinen Schülern zu verbringen. Der Gedanke, mich von meinen Kleinen verabschieden zu müssen, schmerzt jetzt schon. Der Regen zeiht nun unaufhaltsam übers Land und so verbringe ich sehr viel Zeit mit den Schülern auf dem Wohnzimmerteppich von Fr. Johannes. Seit ich ihnen beigebracht habe Freundschaftsbändchen zu knüpfen, verbringen sie jede freie Sekunde damit.

Und dann ist der Tag vor der Ankunft meiner Freundin endlich da. Auf dem Weg von Kumbo nach Bamenda haben wir zwei Mal eine Reifenpanne. Gegen acht Uhr erreiche ich endlich Bamenda und kaufe mir ein Ticket für den Nachtbus, planmäßige Abfahrt ist um 21 Uhr.

22:47 Uhr - Der Bus setzt sich endlich in Bewegung. Ich bin müde, weswegen ich recht schnell einschlafe. Auf geteerten Straßen ist das kein Problem, im Gegensatz zu den mittlerweile matschigen Buckelpisten. Als ich das nächste Mal aufwache, trifft mich fast der Schlag – Neben mir sitzt ein B.I.R. -Soldat (die Intensiveforce des Präsidenten). Gekleidet ganz in schwarz und auf einem Maschinengewehr lehnend. Über seine Schulter ist ein Munitionsgürtel gelegt. Neben dem Fahrer erspähe ich einen zweiten Soldaten. Nach dem ersten Schock bin ich aber beruhigt und froh, dass sie hier sind.
Nachdem Ende Januar im Extremnorden eine französische Familie von Nigerianern entführt wurde, ist es auch zu mehrfachen Überfällen auf Reisebusse gekommen. Eine amerikanische Freiwillige war in einem dieser Busse. Die Terroristen haben die Businsassen an der Außenseite des Busses aufgereiht. Als eine Frau versuchte zu verhandeln, wurde ihr in den Kopf geschossen.
Gegen sechs Uhr früh erreiche ich Yaoundé. Die Zeit bis zur Ankunft meiner Freundin zieht sich wie Kaugummi, aber als sie dann endlich ankommt, ist die Freude natürlich groß. Wir fahren noch in der gleichen Nacht nach Kumbo, um am Folgetag nach Nkambe gebracht zu werden.

Als wir in einen kleinen 15 Personenbus (in den in Deutschland maximal neun Leute gesetzt werden würden) sitzt in der Reihe vor uns eine Mutter mit ihrer ca. vier jährigen Tochter. Das Mädchen atmet sehr röchelnd und mit langen Pausen zwischen den Atemzügen. Der Bauch ist so prall geschwollen, dass er glänzt. Mir wird klar, dass die Mutter das Kind nach Kumbo ins Krankenhaus bringen möchte, aber leider ist mir im selben Moment genauso klar, dass sie es nicht schaffen wird. Ich habe leider schon sehr viele solcher Fälle auf der Arbeit gesehen. Das Mädchen ist im Gesicht und an den Armen übersät mit den typischen „native drugs“ Narben, die in die Haut geritzt werden um die Tinkturen aufzutragen. Daraus kann man oft schließen, dass die Personen/Kinder auf traditionelle Medikamente schlucken, denn es ist meist eine Kombinationstherapie. Wie ich in einem anderen Blogeintrag schon erzählt hatte, sind die Medikamente der traditionellen Heiler sehr leberschädigend und häuft falsch dosiert, für Kinder meist viel zu hoch.
Bevor wir es merken fängt plötzlich die Sitznachbarin der Mutter an zu weinen und die Mutter schüttelt das Kind. Es hat aufgehört zu atmen. Auch wenn ich es fast befürchtet habe, sind meine Freundin und ich verstört. Wobei es fast verstörender ist, wie die anderen Businsassen und die Mutter regieren, als der Fakt, dass gerade ein Kind gestorben ist. Die Mutter sagt nur immer wieder, in einer erschreckend gleichgültigen Stimme „Oh man, oh man“ und die anderen Mitfahrer sind fast desinteressiert und gleichgültig. Die einzige Person, die so perplex ist wie wir und sogar weint, ist die Sitznachbarin der Frau. Diese ist mittlerweile mit ihrer leblosen Tochter aus dem Bus ausgestiegen und ordert ihr Gepäck vom Dach des Busses. Die umherstehenden Menschen registrieren gar nicht, dass das Kind auf ihrem Arm nicht lebt, ich schätze sie vermuten, es schläft einfach.

Ich bin froh, als sich der Bus endlich in Bewegung setzt und wir die verstörende Situation hinter uns lassen. Auf der restlichen Fahrt sind meine Freundin und ich absorbiert von der traumhaften Aussicht und ich werde ein weiteres Mal von der Schönheit des Landes in den Bann gezogen.