Sonnenaufgang über Nkambe
unerwarteter Besuch ...
... gleich zwei Mal an einem Abend
Freitag, 16. November 2012
Totenfeier, oder: Auftritt der Djoo- Djoos
Vor zwei Wochen ist Fr. Andrew nach fünfjährigem Studium aus
Deutschland wieder nach Kumbo umgezogen. Sabrina und ich haben ihn schon in
Frankfurt kennenlernen können und nun ist er hier ein weiterer Ansprechpartner für
uns. Am Wochenende ist die das elfte Todesjubiläum seines Vaters zu dem er
Sabrina und mich und Etienne und Hendrik (zwei Freiwillige aus Deutschland)
eingeladen hat.
Die Jungs wohnen in Shisong und da die Feier von uns aus
besser zu erreichen ist, übernachten sie bei uns. Am nächsten Morgen laufen wir
gemeinsam zum Bischofshügel, holen Fr. Andrew ab und laufen dann gemeinsam zu
seinem Elternhaus. Dort angekommen werden wir überschwänglich willkommen
geheißen, besonders Fr. Andrews Mutter freut sich sehr, dass wir mit ihnen
feiern. Ich finde es zwar immer noch neu aber toll, dass hier der Tod nicht
beklagt wird, sondern der Fokus auf dem Leben nach dem Tod liegt und somit gebührend
gefeiert wird. Als Auftakt der Feier wird eine Messe auf Lamnso gefeiert.
Danach laufen wir zum Haus des Onkels. Dort gibt es ein riesiges Büffet. Sobald
ich wieder im Kumbo bin, werde ich anfangen das essen zu fotografieren und in
den Blog zu stellen, damit man sich ein besseres Bild machen kann. Nach dem
Essen sitzen wir einfach nur gemütlich zusammen und unterhalten uns.
Plötzlich kommt eine der „Mamas“ (die höfliche Anrede für
Frauen ab ca. 35) zu uns und sagt, dass wir wieder zurück zum Elternhaus kommen
sollen, denn die Djoo- Djoos seien unterwegs. Das mit den Djoo- Djoos ist etwas
verwirrend und kompliziert, aber grundsätzlich gilt: Es gibt hier traditionelle
„secret societies“ die mit den Fons zusammenhängen. Wann immer ein Mitglied
einer secret society stirbt oder wenn es irgendwelche Festlichkeiten gibt,
kommen die Djoo- Djoos aus dem Palast des Fons. Genaueres folgt um Weihnachten
herum, da dann in Kumbo Cultural Week ist und viele Djoo- Djoos unterwegs sein
werden. Soweit ich weiß gibt es „gute“ und „böse“ Djoo- Djoos, wann welche im
Einsatz sind, weiß ich aber leider nicht. Das wichtigste ist, dass die meisten
Djoo- Djoos Knüppel mit sich tragen und wenn man sich nicht hinhockt, wenn sie
vorbeitanzen, dürfen sie dich schlagen. Und es wird niemand verschont. Einerseits fürchten sich die Menschen
schrecklich vor den Djoo- Djoos, andererseits wollen sie sie unter keinen
Umständen verpassen.
Nach dem Auftritt der Djoo- Djoos und ein paar
traditionellen Tänzen ist die Feier vorbei und wir machen noch einen Abstecher
auf den Markt, um Obst, Brot und Avocados zum Abendessen zu kaufen. Danach
laufen wir über den Bischofshügel nach Hause, denn heute ist mein erstes Paket
von meiner Familie angekommen und ich kann kaum erwarten, es zu öffnen.
Donnerstag, 15. November 2012
Die Sockelproblematik, oder: Wer hat meine rosarote Brille gesehen ?
Ich sitze in meinem kleinen Arbeitszimmer und warte. Aber
worauf warte ich eigentlich? Es ist mitten am Nachmittag und es schüttet. Mal
wieder. Ich weiß nicht wie oft ich noch denken werde, dass die Regenzeit nun
endlich vorüber ist, Fakt ist: Es ist die letzte Oktoberwoche und es regnet
immer noch jeden Nachmittag/Abend.
Es trifft mich wie ein Schlag: Der Alltag hat sich langsam
eingerichtet und ich habe hier eigentlich nichts zu tun. Oder etwas positiver
ausgedrückt ‚nicht genug‘. Meine neun Wochenstunden sind bei weitem nicht genug
und ich habe nachmittags immer frei, jedoch nichts mit meiner Zeit anzufangen.
Die Schüler haben PREPS oder Sport.
Als ich gestern fragte, ob ich mitmachen darf, denn wer sagt
bei zwei Stunden Sport schon Nein, wusste ich aber noch nicht, was unter Sport
am St. Rita‘s verstanden wird. Die ersten zwanzig Minuten wird noch von ein
paar Mädchen mit einem Ball, der eigentlich etwas zu groß für Handball ist, auf
ein Tor geworfen. Ich hatte vor ein paar Jahren Handball in der Schule und war
auch sehr gut, abgesehen von der Tatsache, dass ich nicht sehr kraftvoll werfen
kann (obwohl ich mit meinem Papa vor den Bundesjugendspielen immer auf der
Straße geübt habe.. J
). Hier jedoch wird sich einfach in einer Reihe vor das Tor gestellt und
geworfen, ohne zu Passen oder überhaupt zu rennen. Das sei doch viel zu
anstrengend, wird mir erklärt. Also versuche ich mich auch mal nur mit werfen,
lasse mich jedoch schnell von den lachenden Jungs am Rand des Feldes
entmutigen. ‚Die Weiße wirft wie ein europäisches Mädchen.‘ Nach dieser Aussage erkläre ich ihnen dann
recht bissig, dass das, was sie hier spielen, kein Handball ist und dass es
sehr viele gute Handballerinnen in Deutschland gibt, ich aber andere Sportarten
bevorzuge. Abgesehen davon BIN ich ja ein europäisches Mädchen. Was mich nun
aber noch mehr überrascht ist, dass die Mädchen sich jetzt einfach auf die
Wiese setzen, sie hätten ja jetzt genug Sport gemacht. Also mache ich mich
etwas unzufrieden auf den Weg zum Haus zurück. Nach ein paar Folgen Scrubs- die Anfänger (glücklicherweise
haben die letzten Freiwilligen DVDs in unserem Haus in Kumbo gelassen) und zehn
Kapiteln The Handmaid’s Tale gehe ich
ins Esszimmer zum Abendessen. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger, aber ich
langweile mich. Und wenn mir langweilig ist fange ich an zu essen. Nach dem
Essen höre ich noch etwas Musik und gehe dann schlafen.
Am nächsten Tag habe ich immerhin drei Unterrichtsstunden.
Diese sind aber recht über den Tag
verteilt (die erste um 7:45, die zweite
und dritte Stunde von 11.30 bis 13.30 Uhr). Was tun mit der freien Zeit
zwischen den Stunden und mit der Zeit nach dem Unterricht? Die anderen Lehrer
sitzen diese Zeit immer im Lehrerzimmer ab, wobei ‚Absitzen‘ hier keine
Übertreibung ist. Am Anfang waren alle noch sehr nett und offen und haben viel
mit mir geredet, aber auch hier ist mittlerweile der Alltag eingekehrt. Sie
sitzen einfach da und starren vor sich hin, vielleicht schlafen sie mit offenen
Augen. Und sie unterhalten sich kaum. Mir ist schon bei den Besuchern, die ich
ab und zu im Wohnzimmer antreffe, wenn ich vorbeikomme, aufgefallen, dass diese
für Stunden, oder besser den ganzen Tag, nahezu regungslos und ohne
Beschäftigung einfach dasitzen. Father Johannes hat mir erklärt, dass das ganz
normal ist und, dass hier jeder froh ist, wenn man so wenig wie möglich zu tun
hat. Auch wenn sich das jetzt sehr hart anhört und man natürlich nicht alle
Menschen über einen Kamm scheren kann und darf, habe ich das Gefühl, dass hier
der Ein oder Andere sehr faul ist (Lehrer im Lehrerzimmer, Schüler beim Sport).
Oder sich an die Beschäftigungslosigkeit gewöhnt hat. Ich kann das jedoch
nicht. Wenn ich keine sinnvolle Beschäftigung habe, werde ich sehr schnell
unausgeglichen, zudem beginne ich mich zu fragen, wofür ich überhaupt hier her
gekommen bin, wenn ich hier nur Zeit absitze. Von dem Zuständigen der Family
Farm Schools, auf denen ich eigentlich hauptsächlich hätte arbeiten sollen,
habe ich noch nichts gehört. Und ich bin schon über einen Monat hier in Nkambe.
Zu meinem Mangel an Beschäftigung kommt hinzu, dass ich
meine täglichen Spaziergänge fast komplett eingestellt habe. Dies liegt daran,
dass ich ständig von Menschen, vor allem Frauen, relativ dreist nach Geld
gefragt werde. Wenn ich dann versuche zu erklären, dass ich hier als
Freiwillige arbeite und keinen Lohn bekomme, bekomme ich nur zu hören, dass ich
nicht lügen solle, ich sei ja schließlich weiß und wäre deswegen auch reich und
hätte immer Geld. Nachdem diese Vorfälle aber darin gipfelten, dass ich in
einer Woche gleich drei Mal als Rassistin beschimpft wurde, habe ich nicht
einmal mehr Lust vor die Tür zu gehen. Es fällt mir schwer das zu sagen, aber
ich fühle mich hier in Nkambe zunehmend unwohler. Hier sind wir nun bei meinem
Sockelproblem. Am Anfang hat mir alles so gut gefallen, dass ich einfach
verdrängt habe, dass sich mit der Zeit nicht nur der Alltag eingeschlichen hat,
sondern auch Dinge, die mir überhaupt nicht gefallen, die mich sogar recht
unzufrieden machen. Nun hat es mich aber mit voller Kraft erwischt. Natürlich
verstehe ich mich mit Father Johannes und
Elias immer noch super und auch mit Felicitas, unserer Köchin, jedoch
sind Father Jo und Elias in letzter Zeit sehr beschäftigt und auch wenn ich mit
Feli sehr gerne quatsche, ist das trotzdem keine Beschäftigung für ganze
Nachmittage.
Daher gab es auch so lange keine Blogeinträge mehr.. Weil
ich in letzter Zeit leider nicht sehr viel zu erzählen habe, da hier in Nkambe
sehr sehr wenig passiert. Ich freue mich schon, zurück nach Kumbo zu kommen und
dort dann im Krankenhaus zu arbeiten, denn dann habe ich mindestens sechs
Stunden etwas zu tun, wenn nicht sogar länger, und vor allem habe ich dort meine
ganzen Freunde, mit denen ich die restliche Zeit verbringen kann. In Nkambe ist
es sehr schwer Freunde zu finden, denn hier gibt es keine anderen Freiwilligen
oder Bekannte, an die ich mich dranhängen kann und als Mädchen hier ein paar
Freunde zu finden ist sehr schwer. Nicht, dass es keine Interessenten gibt,
jedoch sind dies ausschließlich Jungs, die mit mir etwas trinken gehen oder
mich heiraten wollen. Und auf solch schmierige und zwielichtige Typen verzichte
ich gern.
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